Seit einem Jahr starten die Läufer des Innsbrucker Vereines Refugees Run bei den Veranstaltungen von Innsbruckläuft. Was als wöchentlicher Lauftreff begann, ist zu einem Ritual geworden.

Berührungsängste hat Sabine Knienieder keine. Die Götznerin geht offen auf jeden zu, direkt, selbstbewusst. Schon bald sind wir mitten im Gespräch über Männer und Frauen, Sprache und dieses vielfach bemühte Wort der Integration. Warum ausgerechnet einem Lauftreff für das Ankommen in diesem Land eine so große Rolle gegeben wird, könne sie nicht nachvollziehen. Dem Anderen einladend begegnen, das sei doch in jeder Lebenssituation möglich. Viele Jungs aus ihrer Laufgruppe sind inzwischen zu Freunden geworden, sie treffen sich abends zum Tanzen, gehen miteinander essen – Dinge die man einfach so macht, wenn man sich mag.

Routine. Der Verein Refugees Run bietet Menschen, die Freu- de am Laufen haben, die Möglichkeit, diese gemeinsam zu erleben. Mit einem Treffen pro Woche hat es begonnen. Inzwischen sind es drei Mal, das gibt dem Alltag neue Struktur. „Laufen könnten wir jeden Tag, so motiviert sind die Jungs“, stellt Sabine Knie- nieder fest. Die Jungs – das sind bis zu 40 Männer aus Afghanistan, dem Irak, und auch Syrien. Eine Frau habe sich auch einmal interessiert, aber mehr wäre dann nicht daraus geworden.

Sport kommt ohne Sprache aus lesen wir immer wieder in den Medien. Sabine Knienieder hat andere Erfahrungen gemacht. Die studierte Germanistin und Online-Journalistin startete vor vier Jahren aus eigener Motivation einen Deutsch-Sprachkurs für Flüchtlinge. Mit Flyern auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi zog sie von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim. Kommunikation Sport ohne Grenzen fließt über viele Wege. Bei der Übersetzung ins Arabische half ihr ein Freund und von ihm lernte sie dann auch, dass manche Worte in seiner Sprache gar nicht existieren oder ganz andere Bedeutungen haben. „Die richtige Formulierung war allerdings entscheidend für das Gelingen des Projektes“, ist Sabine Knienieder heute überzeugt, und der persönliche Kontakt zu den Menschen in den Unterkünften.

Den Wert von Sprachkenntnissen spürt die Lauftrainerin auch abseits des Asphaltes, wenn sie Amtsbesuche organisiert oder einen Termin beim Arzt vereinbart. Im Training sei auch nicht immer klar, ob die Männer gleich verstanden haben was die Trainerin sagen will. Selbstläufer nennt Sabine Knienieder inzwischen die Gruppe.

„Immer wieder kommen auch neue Gesichter mit zum Training oder zu den Wettbewerben, wie zuletzt einem Crosslauf. Wenn es notwendig ist, eine Pause zu verordnen, muss ich als Trainerin auch manchmal energisch auftreten weil die Jungs hoch motiviert sind“, Sabine Knienieder.

Das Lauftraining gibt ihrem All tag neue Struktur, den Jungs und auch der Trainerin. „Früher war ich an den Wochenenden mit meiner Tochter, die schon mit vier Jahren in der Leichtathletik begonnen hat, unterwegs zu den Wett- kämpfen, heute fahre ich mit den Jungs.“ Flexibilität ist dann von allen Seiten gefordert. Ein paar mehr bedeute einen größeren organisatorischen Aufwand, insbesondere in der Logistik, denn in Sabines Auto haben nur vier weitere Personen Platz.

Lauftalent entdeckt. Große Offenheit für die Themen Flucht und Mitmenschlichkeit sieht auch Bernd Juen von den Tiroler Sozialen Diensten, bei vielen Laufveranstaltern. „Neben Innsbruckläuft sind auch die Organisatoren mancher Hindernisläufe, die mit knappem Budget kalkulieren müssen, immer offen und stellen Startplätze zur Verfügung.“ Vor allem das Interesse an Fußball überrage alle Sportarten, der Fußballclub Sans Papier Innsbruck zum Beispiel fängt diese Begeisterung auf. Niemand werde in diesem Umfeld stigmatisiert oder auf seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe hin reduziert. Auch beim Laufen wären alle gleich, stellt Bernd Juen fest. Die Umsetzung ist leicht: ein paar gute Schuhe und lockere Kleidung, mehr braucht ein Läufer nicht. Jeder erlebte Lauf ist dann ein Erfolgserlebnis, stärkt Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit, ganz neben bei werden auch Glückshormone ausgeschüttet. In der vergangenen Laufsaison wurde in Imst ein Lauftalent entdeckt. Der Somalier stand später beim Halbmarathon im Pitztal, in Linz und in Salzburg auf dem Podest.

 

Der Laufverein aus Innsbruck nennt sich nun Global Runners 

vorheriger Artikel nächster Artikel