Seit den späten 1990er Jahren ist das exzentrische Training eine weithin akzeptierte Behandlungsoption für chronische Achillestendinopathie. Aus der Forschung wissen wir, dass es bei einer Tendinopathie zu Strukturveränderungen der Sehne kommt. Gezieltes Belastungsmanagement kann helfen, ist Stefan Mair (Sporttherapie Huber und Mair) überzeugt.

Achillessehnenbeschwerden begleiten viele Läufer ein Leben lang. Der hierarchische parallele Kollagenaufbau geht verloren, die schleimige Grundsubstanz nimmt zu, die Sehnenzellen sind verdichtet und umgewandelt. Außerdem finden sich Gefäßneubildungen und eine vermehrte Präsenz von freien Nervenendigungen und sympathischen Nervenfasern, wodurch sich die teils recht starken Schmerzen erklären lassen. Studien zeigen, dass durch ein gezieltes Belastungsmanagement („Load-Management“) die Sehnenqualität und damit die Belastbarkeit optimiert werden kann.

Exzentrisches Training galt lange Zeit als die Therapiemethode der Wahl. In den letzten Jahren wiesen Forscher nach, dass intensives langsames Krafttraining sowohl in klinischer Hinsicht von Nutzen ist als auch eine größere mikrostrukturelle Wirkung in der Behandlung von chronischer Tendinopathie hat, als das allgemein bekannte exzentrische Trainingsprotokoll. Die Resultate der meisten Studien deuten darauf hin, dass Gesamtbelastung und „Time Under Tension“ – also die „Zeit unter Belastung“ – ausschlaggebend sind, um positive klinische Ergebnisse zu erzielen und Veränderungen im Gewebe hervorzuheben.

„Es macht immer Sinn, sich einen Sportphysiotherapeuten als Experten zur Hilfe zu holen, der auch beitragende Faktoren wie gesteigerter dynamischer Knievalgus, mangelnde Fußstatik, Rückfußsteifigkeiten, abgeschwächte Hüftmuskeln oder schwache Rumpfmuskulatur erkennt und behandelt.“ Stefan Mair, Physiotherapeut

Lange Zeit wurde Patienten empfohlen, sich mit den Zehenspitzen auf eine Treppe oder einen Stepper zu stellen, sich beidbeinig oder nur mit dem gesunden Bein in den Zehenspitzenstand hoch zu drücken, um sich dann auf dem betroffenen Bein Richtung Boden abbremsen zu lassen – bekannt unter der „Alfredson-Methode“. Dies musste zweimal täglich 3 x 15 Wiederholungen über zwölf Wochen lang durchgeführt werden, mit oft sehr guten Ergebnissen. Wendet man diese bewehrte Therapiemethode unter Berücksichtigung der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse an, so soll das betroffene Bein auch beim Hochdrücken verwendet werden. Das Entscheidende bei diesem sogenannten „Heavy Load Resistance Training“ ist, dass die PatientInnen sich langsam hoch drücken und langsam die Ferse wieder Richtung Boden (tiefer als die Treppentrittfläche) abbremsen. Der Rhythmus soll hierbei „4 Sekunden hoch – 4 Sekunden runter“ sein.

Aufgrund der höheren Gesamtbelastungszeit – „Total Time Under Tension“ – bekommt das Sehnengewebe mehr Zugbelastung als Stoffwechseltrigger zu verarbeiten und die Sehnenregeneration wird stärker forciert. Das „Heavy Load Resistance Training“ soll über mindestens 10 – 12 Wochen durchgeführt werden. Anfänglich werden dreimal wöchentlich vier Serien zu je 15 Wiederholungen (zwei Serien mit gestrecktem Knie und zwei Serien mit leicht gebeugtem Knie) durchgeführt. Dadurch kommen unterschiedliche Sehnenanteile optimal auf Zug.

Moderate Belastung. Von Woche zu Woche wird die Belastung gesteigert und die Wiederholungszahl reduziert, sodass nach ca. zehn Wochen nur noch 3×6 Wiederholungen durchgeführt werden können. Als belastungssteigernde Variablen gelten: von beidbeinig zu einbeinig, von einbeinig ohne Zusatzgewicht zu einbeinig mit Zusatzgewicht (geführte Langhantel oder an der Beinpresse im Fitnessstudio bzw. Gewicht in einem Rucksack am Körper). „No Pain No Gain“ – das ist bei der sehnenorientierten Rehabilitation das Schlagwort.

Schmerzen während des Trainings bzw. auch danach dürfen sein. Die Schmerzintensität soll während des Trainings eine Intensität von 3-5 auf einer 10teiligen Schmerzskala nicht überschreiten. Aus klinischer Erfahrung weiß man, dass sogar in den ersten zwei Wochen die Schmerzen etwas mehr werden können. Nach drei bis vier Wochen sollte dann aber eine Veränderung der Schmerzintensität verspürt werden.

Früher wurde während der Rehabilitationsphase absolute Laufkarenz empfohlen. Aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz werden nun aber moderate Laufbelastungen toleriert. Hier gilt es, das „Schmerz-Monitoring Modell“ zu beachten. Dies besagt, dass moderate Laufbelastungen, speziell auf weicherem Untergrund erlaubt sind, sofern sie während der Tätigkeit eine Schmerzintensität von 0-2 von 10 aufweisen. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Laufbelastung nicht am Pause-Tag des Heavyload-Trainings durchgeführt werden – die Sehne braucht Regenerationszeiten. Nach Absolvierung des zehn- bis zwölfwöchigen Programms sollten plyometrische Trainingsinhalte folgen, z.B. in Form von anfangs beidbeinigem, in weiterer Folge einbeinigem Seilspringen. Anschließend soll ein Sprungaufbau bzw. das Einbauen von Intervallläufen zur weiteren sportartspezifischen Sehnenregeneration helfen.

Diagnose ermöglicht angepasste Therapieempfehlung. Das hier beschriebene Loadmanagment gilt speziell für die „Mid-Portions Achillestendinopathie“ und kann nicht global als Methode der Wahl für alle Arten von Achillessehnenbeschwerden geltend gemacht werden. Nur eine fachärztliche Untersuchung und eine genaue diagnostische Abklärung kann eine optimale Therapieempfehlung ergeben. Empfehlenswert wäre eine Ultraschallabklärung, um eine Teilruptur der Achillessehne ausschließen zu können bzw. eine radiologische Abklärung, um eine Haglundexostose zu erkennen – in diesem Fall müsste man die exzentrische Abbremsbewegung der Ferse limitieren, sodass die Ferse nicht tiefer als die Treppentrittfläche abgesenkt wird.

Stefan Mair arbeitet als Physiotherapeut mit dem Schwerpunkt „Orthopädische Manuelle Physiotherapie“. Seine Kernkompetenz liegt in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation und Sportphysiotherapie. Er leitet gemeinsam mit Reinhard und Claudio Huber die „Sporttherapie Huber und Mair“ in Innsbruck und ist neben seiner Praxistätigkeit als Lehrassistent der International Maitland Teachers Association tätig.

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