Wie Dehne ich richtig?

…war die Frage, die ich in der ersten Ausgabe als Ausblick gestellt habe. Es gibt keine einfache Antwort darauf, zu beachten sind neben den verschiedenen Dehnmethoden und dem jeweiligen physiologischen Typ auch Dysbalancen und Verletzungen.

von Bernhard Friesacher, Sportwissenschafter – Innsbruckläuft

Dehnen

Dehnmethoden

In den achtziger Jahren ist dynamisches Dehnen (ballistisches Dehnen) sehr in Verruf gekommen und damit statisches Dehnen in den Vordergrund gerückt. Doch beide Dehnmethoden haben ihre Berechtigung. Neben diesen klassischen Methoden möchte ich euch noch kurz einige komplexere Methoden vorstellen, die meist in der Therapie aber auch im Leistungssport angewandt werden.

 

Dynamisches Dehnen

Ausgangsposition ist eine submaximale Dehnposition – durch federnde Bewegungen erreicht man nach und nach die maximale Dehnposition
• die federnden Bewegungen mit geringer Geschwindigkeit und kleiner Amplituden ausführen
+ inter- und intramuskuläre Koordination wird gefördert
+ erhöhte Durchblutung -> verstärkt Aufwärmeffekt
– für langanhaltenden Dehnungseffekt ist die Reizdauer zu kurz

 

Statisches Dehnen

Es wird die maximale Dehnposition eingenommen und über einen längeren Zeitraum gehalten (15 – 30 sec); kommt es zu einer Spannungsminderung, kann die Dehnposition leicht erweitert werden
• es sollte kein Schmerzgefühl entstehen, nur ein leichtes „Ziehen“ verspürt werden
+ geringere Verletzungsgefahr
+ Dehnreflex wird nicht ausgelöst
– intermuskuläre Koordination wird durch isolierte Dehnung vernachlässigt

 

AC-Stretching (AC= Antagonist-Contract)

Ähnlich wie das statische Dehnen, nur wird zusätzlich der Antagonist des Zielmuskels angespannt
+ Dehnposition wird vertieft durch reziproke Vorwärtshemmung

 

CR-Stretching (CR= Contract-Relax)

Bekannt unter Anspannungs-Entspannungs-Dehnen, dabei wird der Zielmuskel vor dem eigentlichen Dehnen maximal angespannt und nach einer kurzen Entspannung erfolgt eine statische Dehnung des Zielmuskels
+ somit soll der Dehnreflex gehemmt werden (autogene Hemmung)

 

CR-AC-Stretching

Dabei werden die beiden Methoden gemeinsam Verwendet, um ihr Vorteile zu nutzen

 

Alle Dehnmethoden können auch passiv angewendet werden, das bedeutet, sie werden entweder durch einen geübten Partner oder durch eigene Muskelkraft durchgeführt oder unterstützt. Wichtig beim Dehnen ist, dass man nie ruckartig in eine Dehnung hinein geht, dadurch wird der Muskel angespannt und nicht gedehnt (Dehnreflex). Und halten sie die Dehnung lange genug, sonst erzielen sie auch keinen Effekt.

 

Welcher Typ bin ich und was muss ich beachten?

Hypermobile Läufer
• besser kein Stretching, außer zu Regenerationszwecken
• Konzentration auf Kraft- und Koordinationstraining

Hypomobile Läufer
• regelmäßiges Dehnen empfohlen
+ längerer Hüftlendenmuskel macht schneller 😉

Normalbeweglicher Läufer
• Dehnen sollte zum Training dazugehören, um Verkürzungen vorzubeugen.

Läufer mit Dysbalancen
• neben dem Standarddehnprogramm sollte besonders auf die betroffene Muskelgruppe eingegangen werden
• bei Dysbalancen hilft am besten eine Stärkung des Gegenspielers

Bei Verletzungen
• trotzdem regelmäßig dehnen
• Einbauen der Übungen durch einen Therapeuten

 

Obwohl Dehnen in den letzten Jahren den Ruf als Verletzungsvorbeuge eingebüßt hat, ist es noch immer ein wichtiger Teil im Sport und der Therapie. Dehnen macht die Gelenke beweglicher, was wiederum den Bewegungsablauf verbessert. Für das Laufen ermöglicht dies (beispielsweise) einen längeren Schritt. Dehnen ist nur ein Teil eines guten Trainingskonzeptes. Eine gute Mischung aus Dehn-, Kraft- und Koordinationstraining bringt den Erfolg!

 

Begriffsklärung

Antagonist – Gegenspieler
Intermuskuläre Koordination – Zusammenspiel von zwei unterschiedlichen Muskeln
Intramuskuläre Koordination – Nerven-Muskel-Zusammenspiel eines einzelnent Muskels
reziproke Vorwärtshemmung – Durch Anspannung des Antagonisten wird dieser gehemmt und somit eine unwillkürliche Kontraktion verhindert
autogene Hemmung – ist ein Eigenreflex, der die Muskelspannung in einem optimalen Bereich hält
Hypermobil – eine gesteigerte beziehungsweise übermäßige Beweglichkeit
Hypomobil – verminderte beziehungsweise eingeschränkte Beweglichkeit

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