Wie übertaucht man Frustrationsphasen? Gibt es die eine richtige Sportart überhaupt? Ein Gespräch mit dem Hamburger Motivationsforscher Thomas Martens über das Thema Motivation und welche Prozesse darin ablaufen.

Herr Martens, warum fällt es vielen Menschen so schwer, sich regelmäßig zu bewegen, obwohl der Arzt sagt, dass es uns gut täte?
Thomas Martens: Die Gründe können ganz vielfältig sein und hier spielen auch die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben, hinein. Zunächst stelle ich mir die Frage, ob ich das, was der Arzt sagt akzeptiere. Bei vielen Menschen wirkt das – gerade auch emotional – vielleicht nicht. Hier in Norddeutschland würden wir sagen: Helmut Schmidt ist auch 105 geworden als Kettenraucher.

Wie läuft ein Motivationsprozess in der Theorie ab?
Es beginnt mit der Verantwortungsübernahme, die im besten Fall zu einer Grundmotivation führt. Diese wirkt energetisierend und gibt mir auch einen Puffer z.B. bei Rückschlägen. Ich bezweifle ob diese
Grundmotivation entsteht, wenn nur der Arzt sagt, wir sollen Sport treiben. Die nächste Phase nennen wir Intentionsphase in der man sich die
passende Sportart aussucht oder das richtige Training.

Wie finden wir die für uns passende Sportart überhaupt?
Das ist eine berechtigte Frage, denn da können schon die nächsten Fehler in der Handlungsmotivierung passieren, indem man sich Sportarten aussucht für die man eigentlich gar nicht geeignet ist. Jemandem mit starkem Übergewicht würde ich z.B. nicht raten mit Laufen anzufangen, weil das für Bänder und Gelenke viel zu anspruchsvoll ist. Eine Ausdauersportart wie z.B. Radfahren wäre für diesen Menschen ideal. Aber das kann man schwer verallgemeinern, weil jeder Mensch unterschiedlich ist und letztlich muss das Jeder für sich erst finden. Für den einen ist es Cardio, für Ältere ist vielleicht Kraftsport sinnvoller. Man muss schauen mit welcher Sportart man sich wohlfühlt, dann kann man auch länger dranbleiben.

Haben wir die Kompetenz für Sport?
Es gibt eine Kompetenz für eine bestimmte Sportart, die ich in einer bestimmten Weise ausüben muss. Ich glaube das zeichnet auch Leute aus, die sich gut motivieren können, sie haben nicht nur eine Sportart, sondern drei oder vier Sportarten in denen sie sich wohlfühlen. Wenn sie feststellen, dass sie in einer Sportart nicht weiterkommen oder sich verletzen, machen sie eine andere Sportart. Das hängt auch mit der Gesamtselbstregulation zusammen und mit der Gesamtmotivierung.

Nimmt die Motivationsfähigkeit mit dem Alter ab?
Die Motivationsfähigkeit nimmt nicht mit dem Alter ab, dafür gäbe es auch
keinen Grund, aber die Gelegenheiten dafür nehmen, wenn man Beruf und Kinder hat, immer mehr ab. Man schafft es nicht das Sportpensum in seinen Alltag zu integrieren. Ich glaube, motivierte Menschen haben, gerade was Sport angeht, eine gute Selbstregulation. Dazu gehört ein gutes Körpergefühl, das Wissen wie intensiv sie trainieren müssen und wann es Zeit für eine Pause ist.

Wie gehe ich mit Rückschlägen oder Misserfolg um?
Wie lange und wie stark ich trainieren muss, um mich wirklich zu verbessern ist Erfahrungswissen. Es kann zu persönlichen Frustrationserlebnissen führen, wenn sich ein Sportkollege, der über Jahre schlechter war als ich, plötzlich verbessert und ich es von außen nicht nachvollziehen kann. Dann rate ich: Nicht die Flinte ins Korn werfen! Schau auf dich und auf deine Entwicklung. Sich mit anderen zu vergleichen macht keinen Sinn, weil niemand so ist wie du. Es hilft auch zu wissen, dass es Zeit braucht um etwas zu erlernen. Das kann schon viel Druck herausnehmen. Und auch der Körper braucht Zeit, um sich für manche Bewegungsabläufe vorzubereiten, z.B. für das Laufen braucht es mehr Gelenksschmiere und Stabilisationsmuskulatur.

Wissen hilft uns durch Frustrationsphasen?
Viele Menschen stellen fest, dass sie trotz Training immer langsamer und langsamer werden, etwa weil sie sich keine Erholung gönnen. Das könnte auch eine Rückwirkung auf die Kompetenzerwartung haben: sie nehmen fälschlicherweise an, dass es an ihrem Können scheitert, aber in Wirklichkeit haben sie nur falsch trainiert oder die falsche Sportart gewählt oder haben keinen guten Trainingsrhythmus. Es kann viel falsch laufen. Man startet mit dem guten Vorsatz und kommt erst gar nicht in dieses regelmäßige Sporttreiben hinein, weil man sich überlastet: beispielsweise, wenn man nur einmal die Woche läuft, aber in so einem großen Umfang, dass man eigentlich nur kaputt ist und sich auch nicht verbessert. Wenn man von Erholungszeiten und Hyperkompensation weiß, dann weiß man auch, dass man zwischen anspruchsvollen Sporteinheiten Pausen braucht und dann auch wieder im richtigen Moment anfangen muss.

Wenn wir nach Menschen suchen, die uns motivieren können, suchen wir am besten Gleichgesinnte?
Partner kompensieren motivale Defizite. Wenn ich weiß was ich tun will, mich aber nicht dazu aufraffen kann, bringt mich vielleicht der Partner weiter. Viele Leute kaufen sich das dann einfach einen Individualcoach. Jemanden der hinter mir steht und mir Kommandos gibt. Vielleicht brauche ich Jemanden, der mich tröstet? Oder Jemanden, der mir zeigt wie ich die Technik umsetze. Vielleicht brauche ich Jemanden mit dem ich Spaß am Sport habe. Es gibt auch Menschen, die am besten mit sich alleine zurechtkommen. Das kann man nur individuell beantworten.

Wie sehr hängt unsere Motivationsfähigkeit von Erfolgserlebnissen ab?
Langfristig könnte man sagen braucht man Erfolgserlebnisse, die man dem eigenen Training zuschreiben kann. Man muss auch erleben, dass bestimmte Trainingsformen besser oder schlechter sind, Ergebnisse bringen und wissen mit welchen Trainingsformen man sich wohlfühlt und mit welchen nicht. Will ich etwas Extremes wie einen 8.000er besteigen, ist es gut eine extreme Zielfixierung zu haben. Allen anderen würde ich von einer starren Zielfixierung abraten und dazu raten, mehr auf seinen Körper zu hören. Man braucht ein ganz hohes Maß an Selbstgefühl und an Selbstregulationsfähigkeit um das Sporteln aufrechtzuerhalten.

Sich Ziele zu setzen ist also grundsätzlich schlecht für die Motivationsfähigkeit?
Man kann sich eine Laufzeit für die Marathondistanz vornehmen, aber das ist mit einem hohen subjektiven Gefühl der Anstrengung verbunden. Es setzt viele Resilienzfaktoren voraus, die Viele nicht haben, und auf dem Weg weder auf ihren Körper noch auf Umweltgefahren hören. Wesentlich effektiver ist es, eine Sportart mit Freude auszuüben, dann kann man auch richtig gut darin werden. Etwas wissen wir aus vielen Untersuchungen: wenn wir etwas mit hoher Kompetenzerwartung und großer Freude tun, fällt uns das Sporttreiben leicht und wir können viel eher Fortschritte erzielen.

Welche Rolle spielen Eltern in der Entwicklung der Motivationsfähigkeit ihrer Kinder?
Eltern sind die Modelle und ein Kind kann sich für oder gegen die Eltern entscheiden. Bekommt das Kind durch die Struktur im Elternhaus nie die Gelegenheit Sport zu machen ist es schwer. Die sozial-emotionale Unterstützung durch das Elternhaus ist dabei besonders wichtig. Wenn ich einen Misserfolg habe, wenn ich mal nicht so voran komme wie ich will, weiß ich, dass es eine Schulter gibt, an der ich mich ausweinen kann.

Thomas Martens ist Professor für Pädagogische Psychologie an der Medical School Hamburg und Motivationsforscher. Wenn er nicht forscht oder seiner Tochter beim Einradfahren zusieht, schwimmt er in den Kreisen seiner Trainingskollegen ein paar Runden.

Das Gespräch führte Jane Kathrein.

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